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Vortrag 3: Welche Ernährung für ein präventiv wirksames Mikrobiom?

Wie Ernährung das Mikrobiom für Diabetes Prävention unterstützen kann, erklärte im dritten Vortrag Prof. Andreas Schwiertz (MVZ Institut für Mikroökologie, Herborn). Kongressleiterin Prof. Dr. med. Helene von Bibra fasst im Folgenden seinen Vortrag zusammen. Seine Vortragsfolien finden sich auf www.lions.de/web/111bs unter <wir engagieren uns>, <diabetes> und <Weitere Informationen>.

Welche Ernährung für ein präventiv wirksames Mikrobiom?

Insgesamt ist die Kenntnis zu den menschlichen Mikroorganismen, Bakterien und Viren noch sehr lückenhaft. Die Verdauung der menschlichen Nahrungsvielfalt und ihrer ersten Abbauprodukte soll ermöglichen, dass resorptionsfähige Produkte über die Darmwand ins Blut und in den Stoffwechsel gelangen. Diese komplexen Arbeitsschritte werden von ca. 1000 Spezies Bakterien mit ihren ca. 2 Mio. Genen unterstützt. Welche zusätzlichen Rollen dabei die in ca. 5-facher Menge im Darm vorhandenen Viren haben, ist noch völlig unzureichend entschlüsselt.

Die Zusammensetzung des Mikrobioms variiert mit der jeweiligen Nahrung. Der Vergleich verschiedener Völker in verschiedenen Klimata bzw. Zivilisationen zeigt bei aller Vielfalt dann doch auch grundlegende Muster in der Diversität des Mikrobioms (siehe Publikation von Smits).

Bisher waren Ernährungsempfehlungen zur Gesundheitsförderung an vereinzelten Nährstoffen wie Fett oder Zucker festgemacht. Dabei essen wir diese Nährstoffe aber immer inmitten der Matrix des jeweiligen Lebensmittels mit sämtlichen Interaktionen des Nährstoffes mit allen anderen Substanzen in dieser Matrix. Wissenschaftliche Untersuchungen und wirksame Empfehlungen zur Gesundheit müssen sich deshalb auf ganze Lebensmittel bzw. -gruppen beziehen.

Insgesamt haben die aus Amerika übernommenen Empfehlungsmuster – die dann jahrzehntelang mit viel Profit von der Lebensmittelindustrie beworben worden sind – leider die Welle von Übergewicht und Diabetes kräftig verstärkt. Zusätzlich wurden die Portionsgrößen für Fertigprodukte wie Hamburger, Bier, Pommes, Schokolade oder Cola seit ihrer Einführung mehr als verdoppelt – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Heute, hingegen, wird im Wesentlichen eine stark pflanzenbetonte Kost empfohlen. Das bedeutet bewussten Konsum von langsam resorbierbaren Kohlenhydraten, wie z.B. Vollkornprodukten, bei gleichzeitig etwas verminderter Menge, und – aus Nachhaltigkeitsgründen – eine deutliche Reduktion von (Rind-) Fleisch, besonders bei Herkunft aus Massentierhaltung, sowie von verarbeiteten Fleischprodukten.

Einige Lebensmittel mit positiver Beeinflussung von Mikrobiota und ihren Auswirkungen für die Gesundheit seien hier genannt:

  • Resistente Stärke entsteht, wenn Kartoffeln, Nudeln oder Reis am Vortag gekocht und abgekühlt sind. So werden ca. 10% der enthaltenen Stärke in den Ballaststoff resistente Stärke umgewandelt. Wenn sie im Dickdarm von Bakterien fermentiert wird, entsteht gesunde Buttersäure.
  • Hülsenfrüchte enthalten Oligosaccharide (z.B. Verbascose, Stachyose), die insgesamt die Aufnahme von Zucker in das Blut verlangsamen und dabei die Sättigungsphase verlängern.
  • Besonders Artischocken, Topinambur, Zwiebeln und Chicorèe enthalten Inulin, einen wasserlöslichen Ballaststoff, der das Darmmilieu verbessert.
  • Das u.a. in Äpfeln reichlich vorhandene Pektin ist ebenfalls ein wasserlöslicher Ballaststoff mit präbiotischen Eigenschaften. Zusätzlich hat es eine festigende und Wasser regulierende Funktion.

Inzwischen können zur Stärkung der Gesundheit sog. Probiotika eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich um Präparate mit lebenden Mikroorganismen, z.B. in Joghurt, die zur gesundheitlichen Wirksamkeit in ausreichender Menge aufgenommen werden müssen. Die sog. Präbiotika bestehen hingegen aus Wirkstoffen, die speziell von Mikrobiota verstoffwechselt werden und dann eine gesundheitliche Förderung auslösen, z.B. auch als Schutz vor Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Insgesamt kann über ein gutes Gleichgewicht in der Zusammensetzung des Essens mit vielen pflanzlichen, abwechslungsreichen Bestandteilen eine gesunde Mikrobiota im Körper erreicht werden, die dann eben auch eine gute Schutzfunktion für die Gesundheit ausübt. Inzwischen ist bekannt, dass Ernährung mit vielen Fertigprodukten, reichliche Anwendung von Zuckerersatzstoffen z.B. in „zuckerarmen“ Getränken oder von Antibiotika etc. die Darmflora schädigen. Mit der entsprechenden Nahrungsumstellung kann die zusätzliche Einnahme von Probiotika oder Präbiotika hilfreich sein, um wieder mehr Schutz für den Energiestoffwechsel und gegen Entzündungsvorgänge  zu schaffen, zugunsten einer Verbesserung der Gesundheit.

Der Mensch ist mit seinen Genen darauf angewiesen, dass seine Ernährung so naturnahe bleibt, dass sie auch zu den Genen seiner Mikrobiota passt – nur dann fördert sie auch seine Gesundheit. MindCarb rät also zu unverarbeiteten Lebensmitteln, sehr gerne aus pflanzlicher Herkunft.

Der nachfolgende Blog informiert mit dem vierten Vortrag über die Art der Ansprache, die Patienten zu einer Verbesserung ihrer Essgewohnheiten motiviert.